Helma Harbecke-Schulz ist Erfahrungsexpertin und schreibt im Rahmen des #krisenkraft-Aktionsmonats in ihrem Gastbeitrag über das posttraumatische Wachstum.
Was genau ist eigentlich ein Trauma?
Zur Zeit wird dieser Begriff vielfach inflationär genutzt. Z. B. habe ich schon gehört, dass Schüler gesagt haben – „Boah, die Klassenarbeit war voll das Trauma.“, in einer Fernsehsendung, die von einem von mir sehr geschätzten Moderator geleitet wurde, kam das Gespräch darauf, dass ein Bällebad traumatisch gewesen sei. Sicherlich kennt ihr weitere Beispiele …
Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst du etwas Schönes bauen.
~ Erich Kästner
Definition Trauma
Wenn ich von Trauma rede, gehe ich von folgender Definition aus:
Traumatische Ereignisse …
- sind plötzlich und unerwartet,
- sie schockieren,
- stellen eine existenzielle Bedrohung oder Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit dar,
- lösen ein subjektives Gefühl intensiven Schreckens, Horrors oder von Hilflosigkeit aus.
Quelle: Verbundprojekt ECQAT: Online-Kurs „Traumatherapie“
Welche Symptome gehören zu einem Trauma?
Sehr lange litt ich unter Symptomen wie z.B.
- massiven Angstzuständen,
- dem Wiedererleben traumatischer Situationen,
- Alpträumen,
- Übererregung,
- ausgeprägte Wachsamkeit,
- Vermeidungsverhalten,
- Rezidivierenden Depressionen unterschiedlichen Schweregrades
Wie ich heute weiß, sind das alles ganz normale Reaktionen auf abnormale Ereignisse!
Meine Entwicklung
Angstzustände hatte ich bewusst das erste Mal mit ca. 7 Jahren. Meine Eltern waren nicht zu Hause, es war dunkel und ich hatte eine unheimliche Angst, dass ihnen was passieren könnte und sie nicht mehr nach Hause kommen. Mittlerweile weiß ich, dass es kurz nach einem sehr einschneidenden traumatischen Ereignis war. In diesem Alter habe ich mich sehr verändert, wie mir später meine Schwester erzählte. Früher war ich wohl eher ein lebhaftes, aufgeschlossenes Kind – auf einmal war ich sehr ruhig, verschlossen und zurückhaltend.
Ich lebte mein Leben, brav, angepasst und unauffällig. Ich machte mein Abitur und eine Ausbildung. Das Leben passierte, mit weiteren gravierenden Einschnitten.
Irgendwann hatte ich massive Angstzustände und Depressionen. Ich war sehr eingeschränkt, habe mir nichts mehr zugetraut, viele Dinge vermieden, hatte sehr viele Schuld- und Schamgefühle, brauchte sehr viel Kontrolle und befand mich im sozialen Rückzug. Sich aufdrängende „komische“ Erinnerungen habe ich bagatellisiert und gedacht, das kann ja gar nicht sein, nicht bei mir, nicht in meiner Familie bzw. so schlimm war das doch alles gar nicht. Ich hatte unheimliche Angst verrückt zu werden.
Mein Therapieweg
Die Kraft Ihren Schmerz zu heilen erhalten Sie nicht durch die ausschließ- liche Konzentration auf Ihren Schmerz, sondern von Ihren positiven Gefühlen.
~ Luise Reddemann 2001
Es folgten verschiedene Therapien – mehr oder weniger hilfreich. Ich weiß nicht mehr, was passierte, aber irgendwann meinte mein Hausarzt: ich vermute, dass Sie eine PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) haben. Das war der Schritt zu einer gezielten Traumatherapie bei einer erfahrenen Traumatherapeutin. Ich bin beiden heute noch sehr dankbar!
Frau N. hat mir erst einmal beigebracht, dass ich nicht von einem anderen Stern bin! So fühlte ich mich nämlich sehr häufig! Nein, für einen Menschen mit meinen Lebenserfahrungen war ich ganz normal. Diese Erkenntnis war unheimlich erleichternd! Mit ihrer Unterstützung kam es zu einer stationären Traumatherapie in Intervallen. Die Hauptbestandteile waren Stabilisierung, Stabilisierung und Stabilisierung. Ich lernte, mich immer mehr zu akzeptieren, so wie ich war! Ich durfte lernen, Bedürfnisse wahrzunehmen und mich dafür einzusetzen. Der Glaubenssatz: „Ich nehme meine Gefühle wahr, nehme sie ernst und setze mich dafür ein!“, begleitet mich mittlerweile seit fast 20 Jahren und ist auch heute noch sehr wichtig für mich!
Außerdem lernte ich, dass das Akzeptieren meiner Lebenserfahrungen sowie der dazugehörigen Symptome und der Diagnosen ein wichtiger Schritt für meine Heilung war. Die Dinge waren nun einmal, wie sie waren PUNKT. Und über das Akzeptieren lernte ich, mich darum zu kümmern, was mir im nächsten Schritt helfen könnte, um mich besser zu fühlen – hier ging es nicht um die großen Ziele, sondern manchmal nur darum, die nächste halbe Stunde und noch eine halbe Stunde irgendwie zu überstehen.
Durch Achtsamkeit und mein Freudetagebuch (was ich mittlerweile als einen riesengroßen Schatz empfinde) lernte ich, was mir überhaupt gut tat und in schwierigen Situationen hilfreich sein konnte. So habe ich zum Beispiel das Ritual nach schwierigen oder anstrengenden Gesprächen oder Terminen ein Eis essen zu gehen und einen Milchkaffee dazu zu genießen.
Ein weiteres wichtiges Instrument ist für mich das imaginative Erstellen meines Schutzmantels. Das Erlernen nahm ein wenig Zeit in Anspruch, doch mittlerweile ist es mir sehr schnell möglich, diesen Schutzraum für mich aufzubauen. „Hier“ fühle ich mich sicher und geborgen und kann mich zum Auftanken kurz zurückziehen. Eine Anleitung findest Du hier:
https://institut-berlin.de/wp-content/uploads/Eine-sch%C3%BCtzende-H%C3%BClle-bauen.pdf
Heute bin ich sehr stolz darauf, dass ich nie aufgegeben habe! Frau N. hat ihre Praxis aus Altersgründen aufgeben. Es war sehr schwierig, eine neue, gute Traumatherapeutin in meiner Nähe zu finden. Die Frau, die den Praxissitz übernommen hat, stellte sich für mich als extrem schädigend heraus. Ok, es war nicht alles schlecht, aber die Beendigung unseres Kontaktes lief über meine Rechtsanwältin. Persönlich war es für mich nicht mehr möglich.
Nie wieder wollte ich eine Therapie machen, sondern lieber irgendwie alleine klar kommen. Das ging relativ lange gut. Aber aus irgendeinem Grund brauchte ich doch noch einmal Hilfe – und hatte wieder unheimlich großes Glück. Mit Unterstützung dieser neuen, sehr erfahrenen Traumatherapeutin konnte ich noch mal ganz viel für mich erreichen. Unter anderem brachte sie mir bei, wie ich eine Selbsthypnose durchführe und mit dem Healing Code mein Wohlbefinden verbessern kann. Noch heute liegt auf meinem Schreibtisch ein Zettel von ihr mit der Erinnerung: “Ich nehme mir die Ruhe, die ich brauche!“ Für mich heißt das, ganz bewusst Pausen einzulegen, um zu lesen, zu dösen oder kreativ zu sein. Vor 2 Jahren endete diese Therapie. Ich weiß aber, dass ich mich bei ihr wiedermelden kann, falls es nötig ist.
So geht es mir aktuell
Heute bin ich dankbar für die viele Unterstützung, die ich bekommen habe! In meine Berufung als Heilpraktikerin für Psychotherapie mit den Schwerpunkten Gesprächs- und Entspannungstherapie bin ich reingewachsen. Jetzt gehe ich gerade meinem Traum nach und mache eine Fortbildung in Traumatherapie. Mein Wunsch ist es, mit diesem Hintergrundwissen in manchen Situationen noch besser für mich sorgen zu können UND fundierte Aufklärungsarbeit in einem für mich guten Maß leisten zu können.
Meine eigenen Lebenserfahrungen sehe ich mittlerweile als eine große Ressource, durch die es mir möglich ist, andere Menschen respektvoll und empathisch zu begleiten.
Ich behandle mich selbst bedingungslos liebevoll.
~ Louise Hay – Herzenskarten
In diesem Sinne wünsche ich auch Dir, liebe Leserin, lieber Leser alles erdenklich Gute!
Mehr über Helma erfahren: @selbst_fuersorge @helmas_kreativwerkstatt
Weitere Beiträge und Aktionen des Aktionsmonats #krisenkraft ansehen: #krisenkraft – Mental Health Aktionsmonat 2020
Helma Harbecke-Schulz ist Coach & Heilpraktikerin für Psychotherapie – für mehr Ruhe im Sturm des Lebens.